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"Wirtschaft heute - das ist Finanzfaschismus"

Anita Roddick gründete vor 30 Jahren den ersten Body Shop. Heute hat die Kette mehr als 2000 Läden und gehört zu L'Oréal. Nun spricht sie über Konsum, James Dean und den Sexartikel-Laden ihrer Tochter.
Von Kathrin Steinbichler (SZ v. 21.10.2006)
Ein sonniger Herbst in München. Vor dem Bayerischen Hof Polizei, über dem Hotel Helikopter, innen Hundertschaften von Anzugträgern, die auf Putin warten. Dazwischen die „Body Shop“-Gründerin Anita Roddick, eine der reichsten Frauen der Welt. Eine kleine Person, kopfschüttelnd das Chaos betrachtend. Der Nebenraum, in den wir von der Bar ausweichen, wirkt wie ein Vorzimmer des Kreml: Graue Holztäfelung, flauschiger Teppich, sechs goldene Stühle. Roddicks Lachen entwaffnet sofort.

SZ: So, schön, dass es hier ruhiger ist.

Roddick: Ja, nicht!? Wissen Sie eigentlich, was da draußen los ist?

SZ: Russlands Präsident Wladimir Putin hält hier im Hotel ein Wirtschaftstreffen ab.

Roddick: Oh mein Gott.

SZ: Das wussten Sie nicht? Dann sind Sie also nicht eingeladen . . .

Roddick: Du meine Güte, nein. Und wenn, dann würde ich Herrn Putin fragen, was er über den Mord an Anna Politkowskaja weiß. Eine beeindruckende Frau und Journalistin - ich habe sie kennengelernt.

SZ: Glauben Sie, die Wirtschaft hat die Politik verdrängt?

Roddick: In jeder sozialen Institution kann man heute die Politik vergessen, auch die Kirche kann man vergessen! Die Wirtschaft ist die mächtigste Instanz geworden. Das Interessante ist, dass das mit einem Kulturwandel kam.

SZ: Was meinen Sie?

Roddick: Nehmen Sie die Sprache. Sprache ist Kultur, Worte schaffen Welten. Wenn Sie jetzt die Sprache der Wirtschaft betrachten, wird da nach Investitionen gefragt und nach materiellen Werten, die über Werte wie Liebenswürdigkeit, Aufrichtigkeit oder Kreativität gestellt werden. Man spricht zu uns nicht länger als Menschen oder Bürger, nicht als Kunden, sondern: als Konsumenten.

SZ: Was unterscheidet denn Ihrer Meinung nach Kunde und Konsument?

Roddick: Nun, zu einem Kunden besteht eine Beziehung. Er besucht dein Geschäft und tritt dort in einen Handel ein. Es gibt einen Punkt, an dem man Informationen austauscht, und nicht nur vom anderen nimmt. Ein Konsument ist nur einer von einer blinden Masse aus Millionen Menschen, deren Funktion es ist, Ware zu beziehen, bald egal, was es ist.

SZ: Was - außer Ware - bekommen denn bitte Body-Shop-Kunden?

Roddick: Wahlmöglichkeiten.

SZ: Wahlmöglichkeiten?

Roddick: Ja, indem wir Klarheit schaffen. Ich glaube, die Leute mögen, was sie kaufen, nicht nur, weil es ihre Haut weich macht. Sie wollen auch die Menschen mögen, die das Ganze herstellen. Handel muss menschlich sein, sonst ist er nur Konsum.


SZ: Sie waren die erste Unternehmerin, die mit der Devise antrat: Kaufe ein Produkt, bekomme eine Haltung frei dazu.

Roddick: Ja, das war meine Idee, aber sie wurde verändert. Ich bin nicht die Erste, die glaubt, dass sich das Geschäftemachen zwar ums Geld, vor allem aber um sozialen Austausch dreht. Dass es nicht um den Wohlstand geht, den Einzelne dabei erreichen können, sondern um den Wohlstand, der einer Gemeinschaft zugute kommt. Als wir in den Achtzigern eine Seifenfabrik bauen wollten, weil wir die Herstellung kontrollieren wollten, fanden wir im schottischen Glasgow die vorstellbar schlimmste Wohngegend. 27 000 Menschen lebten da, 70 Prozent von ihnen waren arbeitslos. Wir bauten dann eine Fabrik, von der 25 Prozent des Profits zurück in die Gemeinschaft gehen, dazu ein Zentrum für Kinderbetreuung und eines für die Älteren. Geschäftemachen war für uns nicht die Maximierung des Gewinns, sondern der Erhalt einer sozialen Gemeinschaft. Aber das ist es natürlich nicht, was kopiert wurde. Was kopiert wurde, ist unser Marketing.

SZ: Sie gelten als Aktivistin. Sind Sie nicht manchmal des Kämpfens müde?

Roddick: Wenn Sie aus einem Hintergrund wie dem meinen kommen, aus einer hart arbeitenden italienischen Immigrantenfamilie in der englischen Arbeiterklasse, dann haben Sie ein starkes Durchsetzungsvermögen. Und wenn Sie dazu nicht an Gott oder an Götter glauben . . .

SZ: Sie glauben nicht an Gott?

Roddick: Nein. Ich glaube nicht, dass da irgendetwas ist. Und schon gar nicht eine angeblich männliche Figur da oben, das lasse ich mir nicht erzählen, du meine Güte.

SZ: Glauben Sie an irgendetwas?

Roddick: Ich glaube an Liebe, an Liebenswürdigkeit, an Mitgefühl, ich glaube an die Wesenszüge, die uns menschlich machen. Aber nicht an diese typisch patriarchale Vorstellung. Wann immer jemand Ihnen erzählen will, Gott sei ein Mann - rennen Sie in die entgegengesetzte Richtung!

SZ: Sie sind ein Kind der 68er . . .

Roddick: Wahrscheinlich, auch wenn ich die Sechziger immer ein bisschen zu romantisch fand. Aber Frauen wurden in unserer Kultur nie groß beachtet. Es war schon immer nur his story, nie ihre Geschichte. Nehmen Sie die Statuen meines oder Ihres Landes - fast ausnahmslos Männer, die damit für ihre Verdienste gefeiert werden. Was ist mit den Frauen? Es ist nicht Teil unserer Erziehung, Frauen zu feiern. Frauen wird beigebracht, selbstlos zu sein, immer erst an andere und zuletzt an sich zu denken. Wir haben die Freiheit verloren. Die Freiheit, Nein zu sagen. Zu sagen, was man selbst will.

SZ: Was wollen Frauen denn?

Roddick: Ein einfaches Beispiel: Wir haben eine Kosmetikindustrie und eine Modewelt, die Frauen nicht mag. Wenn wir Falten um die Augen haben oder Pickel am Hintern, bekommen wir das Gefühl vermittelt, nicht gut genug zu sein. Niemand erwähnt, dass wir Kinder großziehen oder Teil von sozialen oder politischen Bewegungen sind. Das Engagement von Frauen wird kaum vermittelt und gewürdigt. Schlimmer noch: Diejenigen, die sich als Erste dafür eingesetzt haben - die Frauenbewegung - werden bis heute als peinlich dargestellt.

SZ: Was schlagen Sie vor?

Roddick: Frauen müssen fordern, gehört zu werden, da dürfen wir nicht nachlassen. Das ging in meiner Altersgruppe los, und es geht weiter in Ihrer. Deshalb ist Bildung wichtig. Es geht weniger darum, wie wir aussehen, als darum, wie wir wahrgenommen werden. Wahrgenommen in der Politik, in der Wirtschaft, in der Geschichte.

SZ: Ihre Tochter Sam sagt, sie sei in einem feministischen Haus aufgewachsen. Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?

Roddick: Nicht, bevor ich Ihre Definition von Feminismus kenne! Wenn Sie darunter ökonomische und persönliche Freiheit verstehen - Ja. Wenn Sie darunter verstehen, sich den BH vom Leib zu reißen - Nein. Wenn Sie sich wie ich für Menschenrechte einsetzen, dann sind Sie Feministin. Es bedeutet sich einzusetzen, dass Menschen voreinander gleichberechtigt sind.

SZ: Weiß Ihr Mann Gordon Ihre Toleranz zu schätzen?

Roddick: Ich glaube schon.

SZ: Sie haben Ihr Okay gegeben, als er Sie mit zwei kleinen Kindern in England ließ, um zehn Monate per Pferd von Buenos Aires nach New York zu reiten. Waren Sie sicher, dass er zurückkommt?

Roddick: In den Sechzigern bedeuteten große Gesten alles. Wenn du dich verknallt hattest, dann immer richtig! Wenn er dann noch Dichter wie Ezra Pound kannte: Booom! Literatur war sexy. . .

SZ: . . . und Gordon schrieb Gedichte . . .

Roddick:. . . und er reiste auch noch! Reisen, das konnte sich in den Sechzigern ein Kind der Arbeiterklasse kaum leisten. Mit dem Aufkommen der Studentenunion in England war es für uns möglich zu reisen, und das war wie die Einladung, miteinander ins Bett zu gehen. Aber so wie andere meines Alters damals wollte ich keine Beziehung. Ich war nur auf der Suche nach einem sympathischen Samenspender. Ich war 26 und wollte ein Kind, um danach weiter als Lehrerin zu arbeiten. Ich wurde von Gordon sofort schwanger und habe mich trotzdem verliebt. Als wir das zweite Kind hatten, wollte er dann diese Reise machen.

SZ: Hatte er Sie und die Kinder satt?

Roddick: Nein. Das heißt, vielleicht. Naja, ich hoffe doch nicht.

SZ: Wollte er seine Freiheit genießen?

Roddick: Ich werde ihn fragen. Die Wahrheit ist: Ich hatte zu der Zeit ohnehin kaum Gedanken für anderes. Ich war besessen von dieser Idee, dass es Frauen gibt, die Kosmetik ohne viel Drumherum aus natürlichen Stoffen wollen. Ich wollte unbedingt den "Body Shop" aufmachen. Die Freiheit, die ich in diesen Monaten hatte, war phantastisch. Und ich sage Ihnen: Ich bekam in dieser Zeit mehr Einladungen zu Dinnerpartys als mit ihm. Eben weil ich ihn gehen ließ. Große Gesten kommen an. Und ich liebe sie.

SZ: Sollten Frauen sich das öfter trauen?

Roddick: Für mich war es damals vielleicht leichter, weil ich meine Mama hatte, die mir mit den Kindern half. Ich hatte nicht das Geld für ein Kindermädchen, wie es Berufstätige heute oft brauchen. Der angebliche Gott helfe dir, wenn du alleine bist mit Kindern und weder eine Großfamilie noch Geld hast! Gordon und ich haben das Ganze lange nicht als Beziehung verstanden. Wir haben spät geheiratet, in Reno, in den USA, bei einem Typen, dem wir dafür 25 Dollar zahlten. Ich war schwanger mit Samantha und hatte Justine auf dem Rücken, ein Freund hatte uns Ringe geliehen. Der Typ bei der Trauung sagte damals, wenn wir drei Wochen in Reno bleiben, könnten wir uns bei ihm auch wieder scheiden lassen.

SZ: Haben Sie überlegt, die drei Wochen zu bleiben?

Roddick: Wir konnten es uns gar nicht leisten, so lang im Hotel zu wohnen. Eine Scheidung war also von Anfang an nicht drin.

SZ: Vielleicht auch besser so.

Roddick: Nun, in Beziehungen gibt es immer einen, der stärker ist als der andere. Ich konnte den Gedanken nicht ausstehen, als Anhängsel von Gordon gesehen zu werden. Ich meine, ich war anders als er: Italienisch und feurig, ständig sprudelten Ideen aus meinem Kopf. Er ist schottisch und solide, konsequent und hartnäckig. Ich denke mir Sachen aus, er macht sie möglich. Eine gute Kombination.

SZ: Sieht er aus wie James Dean, Ihr Jugendidol?

Roddick: Nein, ich wünschte mir, er würde, aber. . . Naja, dafür ist er nicht schwul.

SZ: Warum diese Schwärmerei?

Roddick: Durch James Dean habe ich meine Erziehung erhalten. Als Schulkind, so mit 15 Jahren, las ich alles, was auch James Dean gelesen hatte. Ob Romane oder Stanislawskis Schauspielmethoden - ich studierte, was James Dean studierte.

SZ: Wollten Sie sein wie er?

Roddick: Ich wollte Bildung, und dieser rebellische Mann war interessant genug, damit ich mir sagte: Ich will die Bildung, die du hast - eine literarische Bildung. Wir waren alle wortvernarrt in den Sechzigern, es ging um Sprache, um Poesie. Es gab wenig Fernsehen zu der Zeit.

SZ: Haben Sie von ihm Ihre Stärke?

Roddick: Die hat verschiedene Gründe. Zum einen wuchs ich unter Frauen auf, weil mein Vater starb, als ich zehn war. Da wusste ich gar nicht, wer mein richtiger Vater war. Meinen biologischen Vater, ihren Liebhaber, heiratete meine Mutter kurz darauf. Er starb ein Jahr später. Das Wissen, den Vater gerade erst gefunden und schon wieder verloren zu haben, war hart. Außerdem waren wir anders als die anderen: Wir sprachen italienisch und hatten immer diesen Hauch von Knoblauch um uns. Wenn du als Kind immer am Rand der Herde stehst anstatt mittendrin, bedeutet das eine Art Freiheit. Das gab mir ein enormes Selbstbewusstsein.

SZ: Wie haben Sie sich das bewahrt?

Roddick: Mich hat gerettet, dass mein Denken mich nicht in eine Struktur gesteckt hat, die sagt: Wirtschaft ist Finanzwissenschaft. Das ist es, was Wirtschaft heute ist, nur nenne ich es nicht Finanzwissenschaft, sondern Finanzfaschismus. Ich wollte und will das nicht. Ich möchte das Ganze anders angehen. Ein weiterer Punkt war, dass ich Lehrerin war und ein sehr guter Kommunikator. Zu lernen, wie man Kommunikation aufbaut, half, als ich mich daran machte, mit dem "Body Shop" anzufangen. Ich hatte also diese Produkte in den Regalen und schrieb kleine Geschichten zu jedem: Wie ich es gefunden habe, wofür es ist, wohin ich dafür gereist bin. Das Geschichtenerzählen wurde Teil unseres Marketings.

SZ: Der Verkauf von "Body Shop" an den großen Kosmetikkonzern L"Oréal wurde hart kritisiert. Verstehen Sie das?

Roddick: Nein, das ist einfach dumm. Viele haben von Ausverkauf gesprochen. Aber wir haben verkauft, nicht ausverkauft. Ich bin fast 64 und habe eine Menge Geld - ich wollte es sinnvoll ausgeben. Aber ich kann es nicht ausgeben, wenn es in den "Body Shop"-Anteilen steckt. In der Lage zu sein, ein paar Millionen Pfund an eine Menschenrechtsorganisation zu geben, das ist verdammt noch mal wundervoll. Ich mag den Purismus der Linken nicht, wirklich nicht. Ich finde, man sollte sehen, was man gegen Armut und für Bildung tun kann. Und dann handeln.

SZ: Wie sieht das denn bei Ihnen aus?

Roddick: Wir informieren die Frauen in den Läden derzeit über häusliche Gewalt. Das Wichtigste, was wir dabei vermitteln, ist: Du bist nicht allein, hier bekommst du Unterstützung. Komm rein und hol dir Informationen, unverbindlich, anonym. Welche anonymere Möglichkeit gibt es als einen Laden in einer Einkaufsstraße?

SZ: Der großartige Komiker Sasha Baron Cohen hat sie als "Ali G." mal in seiner Sendung sehr auf den Arm genommen. Können Sie darüber lachen?

Roddick: Oh, ich wusste ja nicht, dass es dieser Cohen war, der mich interviewte! Ich kam erst spät dahinter, dass er es war. Er trat als ein sehr dummer Typ auf, der vorgab, ein cooler Student zu sein. Seine Fragen waren wirklich zum Schreien, ich musste ständig lachen. Er sagte immer wieder: "Yo, ich will gehört werden! Ich bin nur ein anonymer Student! Aber ich will stark sein!" Ich habe ihm erzählt, dass ich in Indien einen Mann gesehen habe, der so stark war, mit seinem Penis zehn Ziegelsteine zu tragen - das hat ihn dann gestoppt.

SZ: Vielleicht ist das der Zeitpunkt, Sie nach Ihrer Tochter Samantha zu fragen?

Roddick: Sie ist unglaublich, aber ich bin auf beide meine Töchter stolz. Justine arbeitet bei "Body Shop", und Sam hat ihre eigene Firma "Coco de Mer", einen Sexartikel-Shop. Gerade hat sie einen neuen Laden in Los Angeles aufgemacht. Auch sie arbeitet mit regionalen Künstlern und unterstützt regionalen Handel. Sie ist mein Kind, wenn es um Kampagnen geht.

SZ: Nun, sie hat für das Eröffnungsplakat ihres Sexartikelladens sich selbst und Freunde beim Orgasmus fotografiert . . .

Roddick: Sam wendet sich gegen die Lügen der Sexindustrie. Als sie einen Tag nach der Plakataktion von der BBC interviewt wurde, sagte sie: "Ich werde mit Ihnen nicht über Gewalt reden und nicht über Kontrolle, die beide Teil der Sexindustrie sind, sondern über Liebe, Vergnügen, Erotik und Sprache." Sie bringt eine neue Sprache in diese Industrie.

SZ: Kommen auch Männer in die Läden?

Roddick: Manchmal, vor allem schwule Männer. Meist aber kommen Frauen und haben einfach eine großartige Zeit zusammen.

SZ: Sie meinen, es wird viel gelacht zwischen all dem Sexspielzeug?

Roddick: Unglaublich viel, ja, hysterisch gelacht. Ich habe in Sams Laden selbst schon oft etwas in die Hand genommen und mich gefragt: Was zum Teufel ist das? Und wofür ist es? Dann siehst du deine Tochter an und denkst dir: Diese jungen Frauen haben heute Wahlmöglichkeiten.

SZ: Ihr eigenes Motto seit jeher.

Roddick: Ja, und ich liebe die Politik, die bei Sam dahintersteckt. Es interessiert vielleicht nicht so, aber wir sind eine Familie, die stark gegen Bush eingestellt ist. Sams Shop in London ist in Covent Garden, einer sehr hippen Gegend. Als die USA in den Irak einmarschierten, organisierte sie 20 Stripperinnen und Prostituierte aus den Sexbars des Viertels, Maskenbildner malten ihnen Schusswunden und Verletzungen auf die nackten Körper. So marschierten sie durch die Straßen, es gab einen Riesenauflauf. Sams Laden hat auch ein Schaufenster, da hatten sie ein großes Geschlechtsteil gebaut mit künstlichen Schamhaaren, auf die das US-Sternenbanner gesprüht war und die Worte: Fuck Bush! Die Leute haben geschrien, wundervoll.

SZ: Ihre politische Renitenz hat Sie in Südafrika schon ins Gefängnis gebracht.

Roddick: Nun, das lag am System. Ich war damals nach dem Studium auf großer Reise quer durch die Welt. Mein damaliger Freund und ich, wir waren Jazzfreaks. Es gab zu der Zeit in den südafrikanischen Klubs "White Nights" für die Weißen, sogenannte "Mulatto Nights" für Farbige und "Black Nights" für Schwarze. Die Polizei hat uns geschnappt, als wir in der "Black Night" waren. Sie sperrten mich 24 Stunden ein, danach musste ich ausreisen. Interessant und lächerlich zugleich.

SZ: Unsere vereinbarte Zeit ist um, aber haben Sie noch ein paar Minuten?

Roddick: Oh, machen Sie mal weiter, das hier ist wie eine Therapie.

SZ:Für mich oder für Sie?

Roddick: Für mich auf alle Fälle.

SZ: Haben Sie schon mal eine Therapie ausprobiert?

Roddick: Ich war ein paar Mal bei einer Therapeutin, aber die Frau hatte so fette Beine, dass ich nicht länger hingehen konnte.

SZ: Mrs. Roddick! Sie waren es doch, die eine Kampagne mit einer dicken Barbiepuppe gestartet hat, um das Schönheitsdiktat für Frauen zu bekämpfen.

Roddick: Ja, schon, aber mich haben schon immer Extreme fasziniert - und diese Beine waren extrem. Ich musste sie anstarren und konnte mich nicht konzentrieren. Und sie war auch nicht so an meinem Innenleben interessiert, wie ich selbst.

SZ: Haben Sie denn noch Geheimnisse?

Roddick: Oh ja, einige, und ich liebe meine Geheimnisse. Aber ich bin jetzt zu alt, um sie noch interessant zu finden.

SZ: Wenn Sie nichts Interessantes zu erzählen hätten, bräuchten Sie keine Ladenschaufenster, um Themen zu platzieren.

Roddick: Für mich geht es darum, Geschichten zu erzählen. Jeder hat eine, und meine ist, wie ich von einem italienischen Immigrantenkind zu etwas wurde, das mehr ist als meine Person als einzelne. Das passierte, weil ich Menschen um mich hatte, die mich unterstützt haben. Das ist alles, was ein Mensch braucht.

SZ: Sie werden zitiert mit: Je älter man wird, desto radikaler wird man.

Roddick: Definitiv. Die Dinge reduzieren sich auf das Wesentliche, wenn man älter wird.

SZ: Werden sie auch mühsamer?

Roddick: Das kommt darauf an. Ich habe einen Tipp für Sie: Bleiben Sie eine Bürgerin, nehmen Sie Anteil, informieren Sie sich. Wenn Sie informiert sind, fallen Ihnen Dinge auf, über die Sie sich ärgern. Das ist mühsam, aber es setzt Energie frei. Und wenn Sie etwas anpisst, dann engagieren Sie sich. Es lohnt sich!

Anita Roddick, 1942 in England geboren, eröffnete 1976 in Brighton mit hausgemachten Pflegeprodukten in Urinproben-Behältern den ersten "Body Shop". Die Kette hat heute weltweit mehr als 2000 Läden. 1998 zog sich die sozial engagierte Roddick aus der Firma zurück, die 2006 an L"Oréal verkauft wurde, sie ist aber weiterhin Beraterin. Für ihre Anteile erhielt sie rund 190 Millionen Euro, die sie großteils in sozialpolitische Projekte investiert.


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(Martin Seiler/uba)

aktualisiert am: 22.10.2006
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